Die Entwicklung Münzlishausens in den letzten 60 Jahren


Separatdruck aus «Baden Intern, Hauszeitung der Stadtverwaltung Baden 1993»
Unverändert nachgedruckt und herausgegeben von der Chronikgruppe Rütihof 2009
In der Hauszeitung der Stadtverwaltung Baden erzählten im Dezember 1993 Frau Marie Bertha Kohler-Lehner und ihr Sohn Ueli Kohler vom Leben während der letzten 60 Jahre aus dem Ortsteil, der - so meinen es die Bewohner - gegenüber den andern eingemeindeten Weilern häufig zu kurz kommt. Den Ausspruch: «Man redet immer nur von Dättwil und Rütihof, dabei gehörten wir doch auch zu Dättwil», war jedenfalls beim nachfolgend skizzierten Gespräch, das am Morgen des 12.8.92 in Münzlishausen stattgefunden hat, nicht zum ersten Mal gefallen. Viel Neues und Interessantes war dabei zu hören.
Die Bilder stammen aus dem Familienalbum der Familie Kohler, Münzlishausen. Sie mussten aus der Schrift «Baden intern» neu eingescannt werden. Die Qualität hat bedauerlicherweise darunter gelitten.

 

Vom Weiler zum Stadtquartier

Die ersten Jahre in Münzlishausen


Im Jahre 1919 hat die Familie Kohler den Hof in Münzlishausen von der Familie Meier übernommen. Vater Meier war nach einem Sturz vom Kirschbaum ein halbes Jahr vorher verstorben. Strom gab es damals in Münzlishausen noch nicht. Dieser wurde erst 1922 herangeführt. Der Weiler Münzlishausen bestand aus fünf Häusern. Die fünf Söhne der Familie Kohler waren mit dem Kauf, den der Vater getätigt hatte, gar nicht einverstanden, denn auf dem vorher gepachteten Hof war Strom bereits damals vorhanden.

Hochzeit


1933 heiratete einer der 5 Söhne, Traugott Kohler, die heutige Gesprächspartnerin, Frau Maria Kohler-Lehner, und übernahm den Hof in Münzlishausen. Für die junge Frau Kohler war es eine völlig neue Situation. Alles Land am Hang zu haben, war sie sich nicht gewohnt. Das versprach viel Handarbeit. Traugott Kohler mit Pflug und vorgespanntem Pferd.

Vater Kohler war in der Schulpflege und gleichzeitig Präsident der Güterregulierung. Jeder hatte mindestens ein Amt im Dorf. Nur so konnte die Gemeinde selbständig organisiert werden.

Zufahrtsstrassen


Zu jenem Zeitpunkt führte noch keine rechte Strasse nach Münzlishausen. Auf der Allmend standen erst drei Chalêts in der Nähe des Schützenhauses. Erst nach der Eingemeindung wurde die Zufahrt nach Münzlishausen staubfrei gemacht (asphaltiert). Man war sehr froh darob, denn es hatte vorher immer gewaltige Schläge und Rinnen in den ausgeschwemmten Strassen. Sie wurde bis dahin immer mit Altöl bespritzt, um die Staubentwicklung wenigstens einigermassen in Grenzen halten zu können. Eine Massnahme, die bei der heutigen Umweltsensibilität sicher nicht mehr denkbar ist.
Vater Kohler hat jeweils den Winterdienst besorgt. Er war der Einzige, der in Münzlishausen zwei Pferde hatte. Der Schneepflug bestand aus zwei schweren Holzladen, die mit Kanthölzern verstrebt waren. «Gepfadet» wurde erst, wenn mindestens 15 cm Schnee gefallen waren, nicht schon bei der ersten Schneeflocke. Gesalzen wurde nicht. Autos fuhren damals praktisch noch keine. Auf der steilen Strasse musste er zum Ärger und Leid-wesen der Kinder auch splitten, was ihm einigen Missmut eintrug.

Kriegsjahre


Bald kam der Krieg. Vater Kohler hatte Aktivdienst zu leisten. Das zweite Kind war unterwegs. Nach der Geburt im Spital war das Dorf voller Militär. Die Pferde waren weg, auch im Aktivdienst. Der Mann war immer noch im Militär, im Wallis. Die Tiere im Stall wollten trotzdem versorgt sein. Es war grauenhaft. Wer macht die Arbeit? Das war die grosse Frage. Die Familie Suter hatte zum Glück drei Söhne (16-, 17- und 18-jährig). Sie halfen oft auch bei Kohlers aus. In Notsituationen hat zudem das einquartierte Militär geholfen, z.B. Gras einbringen, Ackern etc. Frau Kohler weiss heute noch nicht, wie es überhaupt gegangen ist.

Entwicklung auf der Allmend


Die ersten Häuser auf der Allmend (ausser den Chalêts beim Schützenhaus) waren die Mehrfamilienhäuser der Baugenossenschaft Lägern. Dahinter erntete die Julius Meier AG noch lange das Gras für die Pferde der Fuhrhalterei. Auf der Höhe der heutigen Bushaltestelle Allmendstrasse hatte die Julius Meier AG eine Scheune. Verschiedenste Landstreicher nächtigten dort. Das Vorbeigehen war zuweilen ungemütlich bis gefährlich, vor allem für Frauen.

Landwirtschaft damals


Früher musste am Hang alles von Hand gemäht werden. Wenn man die Allmend gemäht hat,
wurden die Pferde eingespannt und drei bis vier Wagen zusammengehängt. Pro Tag wurden
so drei bis vier Fuhren eingebracht. Alles von Hand und zu Fuss. Der letzte Ablad hat jeweils
bis gegen 24.00 Uhr gedauert.
 
Dennoch sagt Frau Kohler heute: «Wenn ich nochmals jung wäre, ich würde wieder bauern! Aber mit den heutigen Methoden. Wir mussten bei grösster Hitze noch alles von Hand mähen, rechen, zetteln, wenden, maden und aufladen. Die Kinder mussten halt immer helfen. Das kennt man heute gar nicht mehr. Dafür hat man andere Probleme. Es kann ja nicht mehr schnell genug gehen. Die Arbeitszeit kostet auch in der Landwirtschaft. Früher kannte man nichts anderes als Arbeiten.»

 

Vor der Güterregulierung hatten die Kohlers an 15 Orten ihr Land. Teilweise ohne direkte Zufahrt und weit weg, bis hinunter zum Martinsberg. Gegessen hat man jeweils auf dem Felde. Das Mittagessen musste zu Fuss hingetragen werden. Auch auf dem Hundsbuck wurde Land bewirtschaftet, unmittelbar vor dem Scheibenstand des Schützenhauses. Die Schützen kannte man alle. Je nach dem, wer es war, ging die Zuckerrübenernte weiter, auch während des Schiessbetriebes! Oftmals aber musste man unverrichteter Dinge wieder abziehen, weil man sich mit den Schützen nicht über die Einstellung des Schiessbetriebes einigen konnte.                          
In den Sommermonaten haben die sogenannten Mösteler – die Drögeler von damals – bei den Bauern angeheuert. Diese haben dann jeweils im Heu übernachtet, z.B. in der Julius Meier Scheune.

Güterregulierung


1948 wurde die Güterregulierung in Angriff genommen. Traugott Kohler war der Initiant. Die Zuteilung erfolgte damals im Wesentlichen so, wie das Land noch heute verteilt ist. Die Münzlishauser waren davon gar nicht begeistert. Aber auch die Familie Kohler war damals nicht in allen Teilen vom Ergebnis befriedigt. Zu viel Land war immer noch am Berg. Dennoch, im Vergleich mit den alten Hosenträgerparzellen war die erreichte Zusammenlegung des Landes ein Fortschritt.
Alles Land am Hang, das versprach viel Handarbeit.

Gegessen hat man jeweils auf dem Felde. Das Mittagessen musste zu Fuss hingetragen werden.

Die Güterregulierung hatte viel Geld gekostet (Bau neuer Wege und Strassen). Die Erben Rymann konnten sich nach der Güterregulierung lange nicht zum Siedeln entscheiden. Erst viel später wurde gebaut (1970er-Jahre).